Biographische Erinnerungen von Rosa Ludwigsen Rosa Ludwigsen lebte als junge Frau mit
ihrer Familie von 1954 bis 1959 in Nissenhütten und Baracken auf
dem ehemaligen Gelände des DAF Zwangsarbeiterlager in der Lederstraße.
Ihre schriftlichen Erinnerungen zeigen die Härte der Lebensumstände
nach dem Ende des 2. Weltkrieges. Leben im Nissenhütten-Lager Im Dezember 1952 lernte ich meinen Mann
Werner kennen. Er wohnte bei seinen Eltern in Stellingen im Nissenhütten-Lager
Volksparkstraße. Meine Schwiegermutter blieb mit den vier
Kindern einige Wochen bei Verwandten, bis die Familie im Nachbardorf eine
Wohnung fand. Der gesamte Hausstand musste neu angeschafft werden (Möbel
und Kleidung auf Bezugsschein, viele Dinge steuerten auch Verwandte und
Freunde bei). Das Lager bestand aus ca. 140 Nissenhütten
und vielen Baracken, die Lebensbedingungen waren sehr schwierig. Die Hütte
meiner Schwiegereltern war in 3 Räume aufgeteilt. Links und rechts
der Eingangstür waren je ein Fenster. Durch die Haustür kam
man gleich in die Küche, in der sich das tägliche Leben abspielte.
Im zweiten Zimmer war das Schlafzimmer der Eltern und der zwei jüngeren
Geschwister. Ein Fenster in einer Gaube gab etwas Licht. Und im dritten
Raum war das Wohnzimmer mit 2 Fenstern. Hier schlief auch Werner. Der
älteste Bruder war in Angeln bei Verwandten geblieben, da er eine
Lehre als Tischler begonnen hatte. Den Menschen standen, verteilt auf dem großen Gelände, einige Toiletten-Baracken mit Plumpsklos zur Verfügung, in denen es gewaltig stank. Ein Klo war immer für mehrere Familien gedacht und so fühlte sich niemand so richtig zuständig für die Sauberkeit. Mein Schwiegervater baute an die Nissenhütte einen kleinen Holzverschlag, in dem nun ein eigenes Plumpsklo Platz fand. |
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Im März 1954 haben Werner und ich
dann geheiratet. Unser Sohn Nico hatte sich angemeldet. Wir
waren 19 und 20 Jahre alt. Werner hatte l Jahr vorher seine Ausbildung
abgeschlossen und ich konnte zum 1.April meine Lehre beenden. Wir fühlten
uns wie ein nichts, wir hatten nichts. |
Den Bewohnern des Lagers wurde mit viel
Skepsis und Vorurteilen begegnet. Die tägliche Versorgung mit Lebensmitteln und anderen Bedarfsartikeln war schwierig. Zwar gab es in einer der Baracken einen kleinen Krämerladen, doch für spezielle Dinge mussten weite Wege in Kauf genommen werden. So gab es am Ende der Volksparkstraße und in der Kieler Straße kleinere Geschäfte (auch dort waren noch überall die Kriegsschäden zu sehen). In guter Erinnerung ist mir ein Textilgeschäft geblieben, in dem meine Schwiegermutter kaufte. Die Inhaberin war sehr nett und verständnisvoll. So war sie z.B. mit Ratenzahlungen einverstanden, wenn das dringend Benötigte nicht sofort bezahlt werden konnte. Da wir beide berufstätig waren, Werner Schichtarbeit leisten musste und viele Überstunden machte, konnten wir uns einen Baukostenzuschuss zusammensparen und so 1959 in Altona eine eigene kleine Wohnung beziehen.
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© Rosa Ludwigsen
Weitere Informationen über die Situation
der Flüchtlinge nach 1945 in Schleswig Holstein siehe
http://www.geschichte-s-h.de/vonabisz/fluechtlinge.htm
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